Was macht eine Quartiersmanagerin?
Bitte beachten Sie: Dieses Interview wurde mit Brigitte Schmitz kurz nach ihrem Dienstantritt in Marquartstein im Herbst 2022 geführt.
Die Gemeinde Marquartstein unterhält seit dem 1. Oktober 2022 ein Quartiersbüro. Quartiersmanagerin Brigitte Schmitz kümmert sich um die Dorfgemeinschaft und das bürgerschaftliche Engagement. Sie ist erste Ansprechpartnerin für Fragen rund ums Älterwerden oder auch zu anderen Lebensphasen.
Im Folgenden finden Sie ein Interview, in dem Sie mehr zu Brigitte Schmitz und ihrem Tätigkeitsfeld erfahren:
Was ist Quartiersmanagement und was macht eine Quartiersmanagerin? Kümmern Sie sich um die touristischen Unterkünfte?
In einer Tourismusregion wie dem Achental denkt man bei „Quartier“ natürlich sofort an Urlaubsunterkünfte. Aber im Begriff „Quartiersmanagement“ ist mit „Quartier“ das „Stadtviertel“ und mit „Manager“ ein „Kümmerer“ oder „Koordinator“ gemeint. Prinzipiell geht es beim Quartiersmanagement darum, sozial benachteiligte Stadteile von Großstädten zu fördern und soziale Brennpunkte zu entschärfen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Städtebauförderung von Bund und Ländern hat in diesem Zusammenhang schon vor Jahren das Programm „Soziale Stadt“ aufgelegt. Mittlerweile wird es weitergeführt im Programm „Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“. Das Programm verfolgt die Ziele, die Wohn- und Lebensqualität sowie die Nutzungsvielfalt in den Quartieren zu erhöhen, die Integration aller Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken. Das Quartiersmanagement ist ein wichtiges Instrument, um diese Ziele zu erreichen. Dementsprechend ist meine Stelle der Quartiersmanagerin auch eine vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales geförderte Stelle und dadurch zunächst auf vier Jahre befristet. Vom Grundgedanken her sollen Quartiersmanager städtebauliche Maßnahmen begleiten, als Bindeglied zwischen Kommune/Verwaltung und Bewohnern fungieren und das private beziehungsweise ehrenamtliche Engagement in ihrem Stadtteil fördern.
Das klingt sinnvoll, aber was macht eine Quartiersmanagerin in einem Dorf wie Marquartstein, wir haben doch keine Brennpunktviertel?
Wenn wir in Marquartstein von Quartiersmanagement sprechen, bezieht sich Quartier natürlich auf die ganze Gemeinde. Und es geht im Kern darum, das Dorf bestmöglich zu entwickeln. Hier hat die Gemeindeverwaltung auch die Freiheit, in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement eigene Schwerpunkte zu setzen – die natürlich anders liegen als in einer Großstadt. In Marquartstein ist es mein Auftrag als Quartiersmanagerin, die Dorfgemeinschaft zu stärken und das bürgerschaftliche Engagement weiter zu fördern, ein Ziel ist etwa der Aufbau einer Nachbarschafts- und Seniorenhilfe. Außerdem fungiere ich – sobald ich mir einen Überblick über die Situation vor Ort verschafft habe – als erste Ansprechpartnerin für Fragen rund ums Älterwerden oder auch zu anderen Lebensphasen. Die Daseinsfürsorge wird ebenfalls einen zentralen Bestandteil meiner Tätigkeit ausmachen. Die Gemeinde Marquartstein steht vor der Herausforderung, eine zukunftsfähige Infrastruktur für ältere Menschen – und damit für die gesamte Dorfgemeinschaft – aufzubauen. Zum Beispiel geht es darum, Barrierefreiheit im öffentlichen Raum umzusetzen. Ein brennendes Thema ist auch die Mobilität. Natürlich ist Marquartstein an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, wenn man aber in Niedernfels oder Piesenhausen wohnt, zum Facharzt nach Prien muss und kein Auto hat, wird es sehr schnell sehr schwierig. Neue Lösungen sind gefragt, diese mitzugestalten ist eine meiner Aufgaben.
Welchen Hintergrund bringen Sie mit und was hat Sie an der Stelle bei uns in Marquartstein gereizt?
Ich habe Soziologie und Psychologie studiert, beides Fächer, die sich – ganz vereinfacht gesagt – damit beschäftigen, wie Menschen zusammenleben, wie sie sich dabei verhalten und wie sie auf Veränderungen reagieren. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber, dem kommunalen Wohnungsunternehmen der Stadt Rosenheim, war ich im Sozialen Management und als Bürgerhauskoordinatorin tätig. Das war gerade zu Beginn der Corona-Pandemie eine Herausforderung: Da waren ständig neue Ideen gefragt, wie Menschen trotz Corona-Auflagen Gemeinschaft erleben und Hilfsstrukturen aufrechterhalten werden können. Davor war ich im Bereich der Wohnprojektentwicklung tätig; insbesondere gemeinschaftsorientierte generationenübergreifende Projekte, bei denen die Beteiligung der künftigen Bewohner und Bewohnerinnen eine wichtige Rolle spielt. Die Stelle in Marquartstein hat mich sofort angesprochen, weil ich hier meine vielfältigen Erfahrungen einbringen und noch einmal etwas völlig Neues aufbauen kann. Das gilt natürlich auch für Unterwössen – ich bin ja in beiden Gemeinden mit je 50 Prozent angestellt.
Wie werden die nächsten Monate in Marquartstein für Sie aussehen? Und mit welchen konkreten Anliegen kann man sich an Sie wenden?
Zunächst geht es darum, den Ort mit all seinen Institutionen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Ich möchte zuerst einen Überblick gewinnen, wer hier lebt, welche ehrenamtlich oder auch professionell organisierten Angebote es gibt, was gebraucht und was gewünscht wird. In meinem Kalender stehen Termine mit Vereinen und Beiräten ebenso wie ein Besuch der Flüchtlingsunterkunft Streunthal oder Besprechungen mit dem Senioren- und Behindertenbeauftragten des Landkreises. Mein Bestreben ist es, so schnell wie möglich (Unterstützungs-)strukturen aufzubauen. Wenn dann demnächst ein Bürger mit einem konkreten Hilfeersuchen, beispielsweise im Bereich Pflege, zu mir kommt, dann möchte ich Wege und Möglichkeiten aufzeigen können, wie er die optimal auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Hilfe erhält. Oder wenn Ideen für bürgerschaftliches Engagement an mich herangetragen werden, dann möchte ich mit der Situation in Marquartstein soweit vertraut sein, dass ich die Umsetzung nachhaltig unterstützen kann.
Haben Sie auch eine längerfristige Vision?
Auf jeden Fall – bis Marquartstein ein Bürgerhaus hat, wird ja, realistisch gesehen, noch etwas Zeit verstreichen. Deswegen würde ich mir schon vorher einen Ort der Begegnung wünschen. Ich hätte mein Quartiersbüro gerne an einem offenen und einladenden Ort, wo Menschen einfach hingehen können, einen Kaffee trinken, sich mit mir und anderen austauschen und neue Ideen entwickeln. Ein Treffpunkt, an dem Gleichgesinnte und Andersdenkende zusammenkommen, ehrenamtliche Initiativen ins Leben rufen oder Aktionen starten und sich bei Bedarf von mir Rat und Unterstützung holen.
Apropos „ehrenamtlich“ – wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit unseren Vereinen vor?
Vorweg: Es ist ein Segen, wenn ein Dorf so große und engagierte Vereine hat wie Marquartstein. Das bürgerschaftliche Engagement im Rahmen des Quartiersmanagements ist auf keinen Fall als Konkurrenz zu verstehen. Vielmehr soll in Bereichen, die klassischerweise nicht von den Vereinen abgedeckt werden, Neues entstehen. Das Quartiersmanagement ist eine koordinierende Aufgabe. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit und stehe den Vereinen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Eine frühere Kollegin hat es einmal so formuliert: „Den Vereinen ist schon viel geholfen, wenn man ihnen keine Steine in den Weg legt.“ Vielen Dank für das Gespräch!